Ideen zu einem Treblebooster für Humbucker

Wozu ein spezieller Treblebooster für Humbucker?

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Historie & Sachkunde

Treblebooster sind Effektgeräte, die, zwischen Gitarre und Verstärker geschaltet, den Klang (Frequenzgang, Pegel) insbesondere einer Gitarre mit Single Coils in Abhängigkeit von der Stellung des Volumenreglers der Gitarre so verändern, dass ein Röhren­verstärker ohne spezielle klangliche Anpassungen für Gitarre einen guten Zerrsound produziert. 

Sie gleichen damit zunächst ein Problem historischer Verstärker aus – deren weitestgehend linearen Frequenzgang.  Rockmusik und deren weitere Spielarten sind an Instrumenten­verstärkern entstanden, deren Entwickler zunächst einmal das Ziel hatten, den Instrumentenklang weitestgehend originalgetreu, d. h. mit linearem Frequenzgang, wiederzugeben. 

Wird ein solcher Verstärker (z. B. ein alter VOX AC30 ohne Top-Boost-Eingang) durch ein vor­verstärktes Signal übersteuert, dann wird der Klang im Bereich der Bässe und unteren Mitten so dominant wie undefiniert, es entsteht ein wabbeliger, mulmiger Sound

Mit dem Treblebooster passiert nun folgendes:

Hochpasscharakter

Der Eingangs­widerstand des Trebleboosters (im Allgemeinen zwischen 10 und 20 kΩ) in Reihe mit dem Innen­widerstand des Tonabnehmers bilden mit dem Ein­gangs­konden­sator des Trebleboosters einen Hochpass erster Ordnung mit einer Startfrequenz (3 dB-Frequenz) zwischen 1 und 2 kHz – das allerdings nur bei voll aufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre. 

Tiefpasscharakter

Außerdem bilden, und das ebenfalls nur bei voll aufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre, der Eingangs­widerstand des Trebleboosters, der Innen­widerstand des Tonabnehmers und die Tonabnehmer­induktivität einen Tiefpass – mit Allgemeinen mit einer 3 dB-Frequenz über 1 kHz.  Hochpass und Tiefpass sorgen also insgesamt für eine Vorfilterung / Mittenbetonung vor der Verzerrung, die geeignet ist, einen kompakten Distortionsound zu produzieren.

Volumenregler und Treblebooster

Die Frequenz­gang­verhältnisse ändern sich, wenn der Volumenregler an der Gitarre zurückgedreht wird.  Für beide Filter steigt der beteiligte Widerstand (der obere Teil des Volumen­potentiometers liegt jetzt in Reihe mit dem Innen­widerstand des Tonabnehmers und dem Eingangs­widerstand des Trebleboosters) und die 3 dB-Frequenzen von Hoch- und Tiefpass rücken auseinander.  Das heißt, die 3 dB-Frequenz des Tiefpasses fällt und die des Hochpasses steigt.  Da auch der Pegel insgesamt sinkt, verhält sich der Volumenregler der Gitarre eher wie eine regelbare Mittenanhebung, bzw., vor einem geeigneten Verstärker, wie ein Verzerrungsregler. 

Verzerrungen und Arbeitspunkt

Weiterhin arbeitet der Treblebooster nicht linear oder „clean“, er verzerrt selbst. 

Dabei sagt man den in oder seit den sechziger Jahren in Trebleboostern verwendeten Germanium-Legierungs­transistoren aufgrund deren eher grober Struktur und der hohen Leitfähigkeit von Germanium ein klanglich günstiges Über­steuerungs­verhalten (Verrundung von Kanten beim Klippen, erweiterter Cut-Off-Bereich) nach. 

Das Zerrverhalten der verwendeten Transistoren ist insofern wesentlich, da es in der Schaltung keine die Kennlinie stabilisierende und die Verstärkung linearisierende Gegenkopplung gibt – der für die Temperatur­stabilität notwendige Emitter­widerstand ist mit einem Kondensator überbrückt; hier ist also keine linearisierende Gegenkopplung zu erwarten. 

Wird der Volumenregler an der Gitarre zurückgedreht, so kann es sein, dass der Treblebooster zwar nicht mehr verzerrt (ins Clipping kommt), aber infolge seines speziellen Arbeitspunktes (eine Kollektor­ruhe­spannung von etwa −6 Volt bis −7 Volt gegen Masse bei einer Betriebs­spannung von −9 Volt) an einer asymmetrisch gekrümmten Kennlinie tendenziell geradzahlige Oberwellen geringer Ordnung produziert – tendenziell angenehme Verzerrungen, die man nicht unbedingt als solche hört. 

Kollektor­spannung, Arbeitspunkt und Arbeits­punkt­ver­schiebungen

Dabei ist ein solcher Arbeitspunkt für eine „normale“ Verstärker­stufe eher ungewöhnlich – üblicherweise würde man versuchen, die Kollektor­spannung auf einen Wert in Höhe der halben Betriebs­spannung zu setzen.  In diesem Bereich höherer Verstärkung würde man die Stufe durch Gegenkopplung (z. B. durch einen nicht kapazitiv überbrückten Emitter­widerstand) auf einem Niveau geringerer Verstärkung linearisieren. 

Im Treblebooster passiert genau das nicht – die Kollektor­ruhe­spannung ist höher und der Emitter­widerstand ist kapazitiv überbrückt. Welche Folgen hat das?

Zum Verständnis der Zusammenhänge ist sinnvoll, sich die statische Kennlinie einer solchen einfachen Transistor­verstärker­stufe zu vergegenwärtigen – Abbildung 1.1 beinhaltet die Darstellung der simulierten Schaltung mit einem npn-Transistor (d. h., die Spannungen gegen Masse sind positiv).  und deren statische Kennlinie (die Kollektor­spannung als Funktion der Basis-Emitter-Spannung). 

PSPICE-Diagramm

Abb. 1.1: Grundsätzliche Darstellung der statischen Kennlinie einer Transistorstufe in Emitterschaltung ohne Gegenkopplung mit Innen­widerstand der Spannungsquelle. 

Der Spannungs- / Signalquelle ist ein Quell­widerstand entsprechend dem minimalen Innen­widerstand des Tonabnehmers beigefügt. Der Graph der Kollektor­spannung in Abhängigkeit von der Basis-Emitter-Spannung zeigt, dass die Kollektor­spannung mit zunehmender Basis-Emitter-Spannung fällt – die Stufe hat eine negative Verstärkung.  Diese ist allerdings nicht konstant, d. h die Kollektor­spannung fällt nicht linear; die Steilheit des Graphen bzw. die Verstärkung steigt mit zunehmender Basis-Emitter-Spannung. 

Bei einer „normalen“ Verstärkerstufe würde man jetzt nur im unteren Bereich der Kennlinie arbeiten (Kollektor­spannung etwa 3–4 V, kleinerer Aus­steuerungs­bereich etwa von 1–5 V, größere Mindest­verstärkung) und die Schaltung über einen Emitter­widerstand gegenkoppeln und damit linearisieren (und die höhere Verstärkung wieder „verschenken“), würde also eine wesentlich „sauberere“ / linearere Verstärkung mit einem geringeren Aus­steuerungs­bereich erkaufen.

Beim Treblebooster hat man anders entschieden.  Der in Bezug auf die Kollektor­spannung eher asymmetrische Arbeitspunkt scheint, wenn man für den maximalen Aus­steuerungs­bereich eine mehr oder weniger gekrümmte Kennlinie und entsprechende nichtlineare Verzerrungen in Kauf nimmt, in Bezug auf das Eingangssignal durchaus sinnvoll gewählt. 

Zum Erklärung sie noch einmal auf die Beispiel­schaltung entsprechend Abbildung 1.1 verwiesen.  Hier liegt die Basis­ruhe­spannung, d. h. die Basis­spannung im Arbeitspunkt, bei etwa 610 mV.  Bei der geringstmöglichen Kollektor­spannung (Transistor ist in der Sättigung) hat die Basis­spannung einen Wert von gut 660 mV (Ue,max), während die Kollektor­spannung bei einer Basis­spannung von gut 560 mV (Ue,min) in etwa ihren größtmöglichen Wert erreicht und der Transistor in den Cut Off geht. 

Die Basis­ruhe­spannung von etwa 610 mV liegt ziemlich genau mittig im eingangs­seitigen Aussteuerungs­bereich zwischen Ue,min und Ue,max.  Das bedeutet, dass der Arbeitspunkt in Bezug auf die Basis­spannung symmetrisch ist. 

Bei größeren Eingangspegeln wird die stärkere und härtere Verzerrung (am Kollektor) stark asymmetrisch sowohl in Bezug auf die Signalform als auch auf die maximalen Pegel.  Der maximale (hier positive) Ausgangs­spannungs­hub in Richtung Cut Off (tendentiell eher weicheres Clipping) kann etwa 2–3 V betragen , der (hier negative) Ausgangs­spannungs­hub in Richtung Sättigung (abrupte Begrenzung; tendentiell eher hartes Clipping) ist mit maximal 6–7 V größer. 

Dieses Verhalten ist beim Rangemaster Treblebooster ähnlich, nur mit umgekehrter Polarität – die Schaltung kann positive Spannungsspitzen mit einer Höhe von zu 7 V abgeben.  Es besteht also die Möglichkeit, die Eingangsstufe eines nachfolgenden Röhren­verstärkers mit großen positiven Spannungsspitzen stark in die Gitter­stromverzerrungen zu treiben. 

Zu guter Letzt bewirkt der asymmetrische Arbeitspunkt auch zu einer Veränderung des Arbeitspunktes bei Übersteuerung des Trebleboosters selbst.  Wenn bei Übersteuerung durch ein Signal mit halbwegs geradem Tastverhältnis die Kollektor­spannung gleichmäßig zwischen den Extremwerten 9 V und 1 V springt, springt auch die Spannung über dem Kollektor­widerstand (10 kΩ) symmetrisch zwischen 0 Volt und etwa 8 Volt und es fließt ein Kollektor­strom von durchschnittlich 0,4 mA.  Dieser gemittelte Kollektor­strom durch Kollektor- und Emitter­widerstand ist bei großer Aus- bis Über­steuerung also größer als der Ruhe­strom, das heißt, der Emitterkondensator lädt sich bei bei großer Aus- bis Über­steuerung stärker auf und „schiebt die Emitter­spannung nach oben“, der Arbeitspunkt wird in die Richtung der oberen Halbwellen verschoben.  Dadurch ändert sich das Tastverhältnis des Eingangssignals wieder, der Transistor wird weniger lange durchgesteuert und der gemittelte Kollektor­strom sinkt wieder – die Schaltung stabilisiert sich wieder.  Die zeitlichen Abläufe werden wesentlich durch die Zeitkonstante RE·CE bestimmt. 

Ähnliche Prozesse ereignen sich auch an der Basis – infolge der fehlenden Gegenkopplung am Emitter (die dafür sorgen würde, dass der Emitter der Signal­spannung an der Basis „folgt“ und die Basis-Emitter-Spannung relativ gleich ist) ist die Basis-Emitter-Strecke für beide Halbwellen des Eingangssignals unterschiedlich stark durchlässig, was bei starker Aussteuerung zur Umladung des (relativ kleinen) Ein­gangs­koppel­kondensators führt.  Auch das bedingt eine Arbeits­punkt­ver­schiebung am Eingang und eine kurzzeitige Änderung der Symmetrie der Verzerrungen am Ausgang. 

Diese temporären und aus­steuerungs­abhängigen Arbeits­punkt­ver­schiebungen haben den Ruf, den mit einem Treblebooster erzeugten verzerrten Klang interessant zu machen, man sollte also nicht versuchen, sie zu vermeiden.  Für eine Anpassung des Trebleboosters an Gitarren mit höherem Ausgangspegel ist es notwendig, das auch die genannten Effekte erst „später“, d. h. bei größeren Eingangs­spannungen einsetzen. 

Soviel zur (einigermaßen speziellen) Funktion der Schaltung eines Trebleboosters.  Bezüglich der technischen Zusammenhänge im Hintergrund sei auf das elektronische Fachbuch „Physik der Elektrogitarre“ von Prof. Manfred Zollner und auf einige Artikel von Bernd C. Meiser verwiesen – die bisherigen Ausführungen in diesem Artikel folgen den Darstellungen Zollners und Meisers. 

Meiser beschäftigt sich in seinen Artikeln neben der Funktions­beschreibung des Trebleboostern kurz mit dessen Eignung zur Vor­verstärkung von Gitarren mit Humbuckern – das sei hier kurz dargestellt: 

Bei der Verwendung einer Stratocaster mit Einzel­spulen­tonabnehmern und einem Rangemaster Treblebooster, um noch einmal das Bilderbuchbeispiel zu bemühen, ergeben sich typischerweise ein Hochpass mit einer 3dB-Frequenz von ungefähr 1,5 kHz (Ceing. = 5,6 nF und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 4 kΩ) und ein Tiefpass mit einer 3dB-Frequenz von größer als 1 kHz (LTA = 2 H und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 4 kΩ), also ein deutlicher und im Ernstfall auch scharfer Mittenboost.  Die so erzeugten Sounds waren wohl für die eher mittigen Klangvorstellungen, die Arrangements und auch Audiogeräte der damaligen Zeit (Kofferradios, Musiktruhen etc.) durchaus geeignet und passend und wurden damit, aus heutiger Sicht betrachtet, stilprägend – und inzwischen für Sammler, Liebhaber und Spekulanten ein „must have“ und „amtlich“. 

Soweit zu Trebleboostern und Single-Coil-Tonabnehmern.  Bei Humbuckern ergeben sich andere technische Verhältnisse: 

Bei einem „klassischer“ Humbucker an einem Rangemaster Treblebooster entstehen bei vollaufgedrehtem Volumenregler an der Gitarre ein Hochpass mit 1,2 kHz (Ceing. = 5,6 nF und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 8 kΩ) und Hochpass mit etwa 700 Hz (LTA = 5 H und Reing.≈ 15 kΩ zzgl. RTA ≈ 8 kΩ).  Das heißt, hier kommen möglicherweise zu wenig Höhen aus einer an sich schon warm klingenden klassischen „Humbucker-Gitarre“ wie zum Beispiel einer Les Paul

Außerdem, so Meiser, ist die Verstärkung eines Treblebooster für Humbucker mit wesentlich höherer Ausgangs­spannung zu groß – der Treblebooster wird so übersteuert, dass die Dynamik leidet. 

Als bekanntes Beispiel für den Sound, der für diese Kombination (Humbucker-Gitarre und Treblebooster) charakteristisch ist, wird im Artikel auf die Aufnahmen mit Tommy Iommi im Frühwerk von Black Sabbath verwiesen.  Nun, das ist, bei aller klanglichen Ausdrucksstärke dieser Aufnahmen, eher kein Sound, der über Genregrenzen hinweg „amtlich“ genannt werden kann. 

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Simulationen & Gedankenexperimente

Soweit also der Stand von Theorie und Technik. 

Es wurden ein paar Simulationen erstellt, um die beschriebenen Zusammenhänge auch, wenn nicht in der Simulation nachzuweisen, so doch bildlich darzustellen.  Begonnen wurde mit der Simulation eines Singlecoils an einem Treblebooster mit einem Kabel von etwa fünf Metern Länge, einem Eingangs­koppelkondensator von 5,6 nF, einem Spannungs­teiler für die Basis­vor­spannung von 470 kΩ zu 68 kΩ und einem Transistor mit einem differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke von 13 kΩ (Germanium­transistor mit einem Basis­strom von 2 µA – ein Kollektor­strom von 0,2 mA und ein Strom­verstärkungs­faktor von etwa 100). Das Modell für den Singlecoil ist der letzten Ausgabe von Prof. Zollners Werk „Physik der Elektrogitarre“ entnommen.  Die Simulations­schaltung wird in Abbildung 1.2 gezeigt:

Schaltplan

Abb. 1.2: Frequenz­gang­ssimulation eines Singlecoils an einem klassischen Treblebooster – Simulations­schaltung. 

Die folgende Abbildung 1.2 zeigt das Ergebnis der Simulation – den Frequenzgang an der simulierten Basis des Transistors bei verschiedenen Stellungen des Volumenreglers der Gitarre.  Die Maximal- und die Mittelstellung des (logarithmischen) Potis sind hervorgehoben. 

PSPICE-Diagramm

Abb. 1.3: Frequenz­gang­ssimulation eines Singlecoils an einem klassischen Treblebooster – Frequenzgang. 

Die Simulation zeigt einen scharfen, schmalen Bandpass bei etwa 1,3 kHz, der jedoch sofort bei leichtem Zurückdrehen des Potis verschwindet.  Bei kleineren Lautstärken bleibt, neben einer (kaum relevanten) Höhen­absenkung oberhalb von sechs bis acht Kilohertz ein Hochpass mit Schnittfrequenz von etwa 600 bis 700 Hertz übrig – ähnlich einem Tubescreamer

Das Gleiche nun in Abbildung 1.4 und Abbildung 1.5 für die Verbindung eines Humbuckers mit einem klassischen Treblebooster.  (Das Modell für den Singlecoil stammt diesmal nicht direkt aus einer aktuellen bzw. verfübaren Ausgabe von Prof. Zollners Werk, sondern wurde vom Autor mit Angaben für Dummy- und Ton­spule aus einer älteren Ausgabe der „Physik der Elektrogitarre“ zusammengebastelt, ohne dass sich der Autor noch an jedes Detail erinnern kann.  Insofern wird hier lediglich auf den Abschnitt für Gibson-Humbucker.) des genannten Werkes verwiesen. 

Schaltplan

Abb. 1.4: Frequenz­gang­ssimulation eines Humbuckers an einem klassischen Treblebooster – Simulations­schaltung. 

Für den Humbucker wurde eine größere Ausgangs­spannung und natürlich eine hochohmigere Verschaltung angenommen: 

PSPICE-Diagramm

Abb. 1.5: Frequenz­gang­ssimulation eines Humbuckers an einem klassischen Treblebooster – Frequenzgang. 

Was zeigt der Frequenzgang?  Der zunächst vermutete Verlust der Höhen konnte in dieser Simulation nicht bestätigt werden, lediglich der scharfe Bandpass bei vollem Volumen bewegte sich auf eine Mittenfrequenz von 900 Hz.  Allerdings fehlt der stärke Low-cut, der in der Verbindung Singlecoil und Treblebooster zu erkennen war – wird also das Signal eines Humbuckers über einen Treblebooster verstärkt, fehlen möglicherweise weniger die Höhen, als dass Bässe und untere Mitten (die ja beispielsweise eine Les Paul reichlich anbietet) das Klangbild und auch die Verzerrung stärker dominieren.  Das allerdings kann, zusammen mit dem höheren Pegel, tatsächlich zu einer intransparenten oder undynamischen Verzerrung führen. 

Abschließend noch die Simulation eines Gedanken­experiments – der gleiche Humbucker arbeitet an einen quasi „verdoppelten“ Treblebooster, d. h. an einem Treblebooster mit doppeltem Signal­eingangs­widerstand und halber Verstärkung (siehe folgende Abbildung 1.6). 

Schaltplan

Abb. 1.6: Frequenz­gang­ssimulation eines Humbuckers an einem Treblebooster mit halb so großem Eingangs­koppel­kondensator, doppelt so großer Eingangs­impedanz und Eingangs­spannungs­teiler – Simulations­schaltung. 

Neben größeren Widerständen im Basis­spannungs­teiler und einem etwa halb so großen Eingangs­koppel­kondensator ist der Widerstand rBE, der den differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke nachbilden soll, doppelt vorhanden.  Zum einen sollen über diese beiden Widerstände rBE1 und rBE2 ein doppelt so großer Eingangs­widerstand simuliert werden, zum anderen soll im Ergebnis der Simulation nur die Spannung über rBE1 dargestellt werden, um diesen Frequenzgang auch im Pegel mit dem in Abbildung 1.3 (Singlecoil an klassischem Treblebooster) gezeigten Ergebnis verglichen werden können, (unter der Voraussetzung des Gedanken­experiments, dass dieser spezielle Treblebooster für Humbucker eine halb so große Verstärkung hätte.). 

PSPICE-Diagramm

Abb. 1.7: Frequenz­gang­ssimulation eines Humbuckers an einem Treblebooster mit halb so großem Eingangs­koppel­kondensator, doppelt so großer Eingangs­impedanz und Eingangs­spannungs­teiler – Frequenzgang. 

Der bei dieser Simulation ermittelte Frequenzgang ähnelt stärker dem eines Singlecoils an einem klassischen Treblebooster (in Abbildung 1.3) – die Mittenfrequenz der Resonanzspitze bei maximalem Volumen liegt wieder deutlich über 1 kHz, der Pegel ist geringer und auch die Ansatzfrequenz des Low-cuts liegt wieder im Bereich um 700 Hz. 

Soweit zu den Simulationen, die im Ergebnis zumindest darauf hinweisen, dass ein Treblebooster mit vergrößertem Eingangs­widerstand und geringerer Verstärkung für die Verwendung mit Humbuckern sinnvoll sein könnte. 

Dazu – last but not least – noch eine eher praktische Ergänzung:  Auf das Dilemma des zu geringen Eingangs­widerstands war der Autor, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, ebenfalls gestoßen – beim Herumprobieren mit einer Fuzz-Schaltung mit kleinem Vorschalt­kondensator (also in Ansätzen etwas ähnliches wie ein Treblebooster) sowie einer Gitarre mit Humbuckern fiel auf, dass der Zerrklang nur dann nicht dumpf, gestopft und ein wenig pappig klang, wenn die beiden Einzelspulen des Humbuckers parallel, und nicht, wie bei einem Humbucker üblich, in Reihe geschaltet waren. 

Eine Beobachtung, die Anlass war, die eigenen Überlegungen zum Thema „Treblebooster für Humbucker-Gitarren“ zusammenzufassen und, mit dem Ziel einer Lösung, aufzuschreiben. 

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Denken nach Zahlen

Ziel ist es also, eine Schaltung für einen Treblebooster zu finden, der besser für das Zusammenspiel mit einem Humbucker geeignet ist.  Diese Schaltung sollte, im Gegensatz beispielsweise zum Rangemaster Treblebooster, folgende Eigenschaften haben:

Eingangs­widerstand

Die Schaltung sollte einen mindestens doppelt so großen Eingangs­widerstand haben, um die größere Tonabnehmer­induktivität auszugleichen und Höhenverluste zu vermeiden. 

Verstärkung

Die Verstärkung sollte deutlich unter dem Verstärkungs­faktor 30 (etwa 30 dB) liegen – für übliche Treblebooster werden Verstärkungs­faktoren von 30 bis 60 angegeben. 

Germanium

Es sollte entweder ein Germanium­transistor verwendet werden oder wenigstens versucht werden, dessen für die „musikalische“ Verzerrung notwendigen Eigenschaften nachzubilden. 

Beim Nachdenken über und Simulieren von verschiedenen Ideen, um einfache Veränderungen der bekannten Treblebooster-Schaltung (insbesondere der des Rangemasters) stellen sich einige grundlegende Zusammenhänge heraus, die nicht so einfach ignoriert werden können: 

Basisruhe­strom – Eingangs­widerstand

Der Eingangs­widerstand des Trebleboosters wird wesentlich vom differentiellen Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors (beim Rangemaster etwa 15  bis 20 kΩ) geprägt.  Die Basiswiderstände (470 kΩ und 68 kΩ) sind wesentlich größer als der differentielle Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors.  Dabei verhält sich dieser differentielle Widerstand, grob gesagt, reziprok zur Höhe des Basis­stroms. 

Strom­verstärkung – Eingangs­widerstand

Für einen festgelegten Arbeitspunkt (Kollektor­spannung) an einen gegebenen Kollektor­widerstand ergibt sich bei einem bestimmten Strom­verstärkungs­faktor ein entsprechender Basisruhe­strom – Letzterer könnte in etwa halbiert werden (um den Eingangs­widerstand zu erhöhen), indem ein Transistor mit, beispielsweise, doppelt zu großem Strom­verstärkungs­faktor verwendet wird. 

Basisruhe­strom – Aus­steuerungs­bereich

Ein halb so großer Basisruhe­strom führt dann vielleicht zu einem doppelt so großen differentiellen Widerstand zwischen Basis und Emitter, aber nicht – selbst bei gleichgroßem Eingangssignal – zu einem halb so großen Basissignal­strom.  Da die Signalquelle (der Tonabnehmer) keinen endlos kleinen Innen­widerstand hat, sondern einen Innen­widerstand in Größenordnung des Eingangs­widerstandes des Trebleboosters, bilden der Innen­widerstand der Spannungsquelle und der differentielle Widerstand der Basis-Emitter-Strecke des Transistors einen Spannungsteiler, und der Anteil des Signals, der „beim Transistor ankommt“ steigt mit größerem Eingangs­widerstand des Trebleboosters.  Mit einem doppelt so großen Strom­verstärkungs­faktor verdoppelt sich so zwar der Eingangs­widerstand, aber der Eingangssignal­strom halbiert sich (bei halbem Basisruhe­strom) nicht, so dass der Eingang bei halbem Basis­strom stärker übersteuert wird. 

Strom­verstärkungs­faktor – Verstärkung

Außerdem gleichen sich der höhere Strom­verstärkungs­faktor und der dadurch gestiegene Eingangs­widerstand aus – je weniger Signal­strom durch den gestiegenen Eingangs­widerstand in die Basis „hineingelassen“ wird, umso größer ist dessen Verstärkung.  Eine Reduktion der Verstärkung ist so also nicht möglich. 

Strom­verstärkungs­faktor – Verstärkung

Auch der umgekehrte Weg ist nicht zielführend – ein Transistor mit geringerem Strom­verstärkungs­faktor führt zu einem geringeren Eingangs­widerstand, d. h. zu einer stärkeren Dämpfung des Tonabnehmers und weniger Höhen. 

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Literaturhinweise

Bernd C. Meiser. Treble Booster.

Treble Booster Teil I.  Gitarre und Bass 1 / 2002, S. 156–157;
Treble Booster Teil II.  Gitarre und Bass 2 / 2002, S. 182–183;
Treble Booster Teil III.  Gitarre und Bass 3 / 2002, S. 164–165;
alle drei: Music Media Verlag Köln 2003

Manfred Zollner. Physik der Elektro­gitarre.

Seite 10–232 ff (zum Treblebooster). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);

Manfred Zollner. Physik der Elektro­gitarre.

Seite 5–173  (zum Simulations­modell des Singlecoil). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);

Manfred Zollner. Physik der Elektro­gitarre.

Seite 5–194  (zu Gibson-Humbuckern). Bezug über: gitec-forum.de (PDF; ca. 40 MB);