Ideen zu einem Treblebooster für Humbucker – Teil II

Der „Ostfriesen“-Booster

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Dieser etwas merkwürdige Ideen- oder Projektname steht im Zusammen­hang mit einem alten Witz über die angebliche Art der Ost­friesen, eine Glühlampe zu wechseln – vier der besagten „Ossis“ drehen einen Tisch, auf dem ein Mann steht, der die Glühlampe in der Hand hält. 

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Idee und Schaltung

Um ein Problem zu lösen, ist es u. U. hilfreich, sich vom Problem zu lösen und auf „eine höhere Ebene“ zu wechseln.  So war es auch im konkreten Fall, der Suche nach einer Möglichkeit, die Schaltung eines Trebleboosters, und zwar insbesondere des Rangemaster Trebleboosters, für Gitarren mit Humbuckern zu adaptieren.  Doch zunächst zur Erinnerung die prinzipielle Schaltung eines Trebleboosters an einer Gitarre mit Single Coils

Schaltskizze

Abb. 2.1: Grundsätzliche Prinzip eines Rangemaster Trebleboosters an einem Single Coil-Tonabnehmer

Die erste Idee, sowohl den Eingangs­widerstand des Trebleboosters zu verdoppeln, besteht jetzt darin, den Treblebooster die lediglich halbe Ausgangs­spannung der Gitarre mit Humbucker verstärken zu lassen – nicht, indem man die Ausgangs­spannung halbiert, sondern durch einem Schaltungstrick (siehe Abbildung 2.2):  Wenn man den Humbucker als Reihenschaltung zweier Single Coils versteht, könnte man auch jeder Einzelspule des Tonabnehmers jeweils einen Treblebooster zuordnen – der „oberen“ Spule wird ein Treblebooster zugeordnet, dessen Eingang mit dem Ausgang des Humbuckers und desssen Masse mit der Verbindung der beiden Tonabnehmer­spulen verbunden wird, der untere Ton­abnehmer würde entsprechend verschaltet. 

Wenn man weiterhin davon ausgeht, dass diese beiden Tonabnehmer­spulen identisch sind und das gleiche Signal abgeben, reicht erstens „informations­technisch“ auch ein Treblebooster (der andere liefert ja das gleiche Signal).  Zweitens kann man bei identischen Tonabnehmer­spulen deren Verbindungspunkt auch außen nachbilden, in dem man die Ausgangs­spannung des Humbuckers halbiert.

Letztendlich wird der Treblebooster doppelt so hochohmig, indem man seine Masse / Bezugs­spannung auf die halbe Ausgangs­spannung der Gitarre setzt. 

Schaltskizze

Abb. 2.2: Grundsätzliche Idee eines Trebleboosters für Humbucker

Der Treblebooster an sich bekommt dadurch nicht den doppelten Eingangs­widerstand, sein Eingangs­widerstand ändert sich nicht, jedoch „sieht“ der Tonabnehmer einen doppelten Eingangs­widerstand, da das Ausgangssignal der Tonabnehmers nur zur Hälfte beim Treblebooster ankommt und dieser auch nur den halben Signal­strom aufnimmt.  Ferner wird der Treblebooster auch nur mit der halben Eingangs­spannung ausgesteuert und hat, bei gleicher Verstärkung, auch nur ein halb so großes Ausgangssignal, was das Problem der Übersteuerung durch die leistungsstärkeren Humbucker verkleinert. 

Der Treblebooster „schwimmt“ also ohne Massebezug auf der halben Signal­spannung (wie der Ostfriese im Witz, der auf dem Tisch steht und gedreht wird).  Der Bezug auf die halbe Eingangs­spannung muss hinter dem Ausgang des Trebleboosters noch aufgehoben werden; dem Treblebooster schließt sich also eine Subtrahierschaltung an, die an ihrem Ausgang die Spannungsdifferenz zwischen der Ausgangs­spannung des Trebleboosters und der halben Eingangs­spannung ausgibt. 

So simpel die Idee, so umfangreich die Umsetzung: 

Schaltskizze

Abb. 2.3: Prinzipieller Schaltungsvorschlag für einen „Meta“-Treblebooster für Humbucker nach Abbildung 2.2 – der eigentliche Treblebooster ist grau hinterlegt. 

Zur Erläuterung der Schaltung: Das Eingangssignal der Schaltung wird über einen hochohmigen Spannungsteiler halbiert und anschließend mit dem OPV1 gepuffert. 

Die beiden Operations­verstärker OPV3 und OPV4 „halten“ und „drehen“ den eigentlichen Treblebooster; sie addieren bzw. subtrahieren von der halben Eingangs­spannung der Gesamtschaltung eine Spannung von 4,5 V, so dass zwischen ihren Ausgängen eine Spannungsdifferenz von 9 V entsteht.  Diese beiden Ausgänge werden nun mit den beiden Versorgungs­spannungs­anschlüssen des Trebleboosters verbunden.  Zwischen den Ausgang von OPV4 (UE / 2 - 4,5 V) und dem Betriebs­spannungs­anschluss des Trebleboosters kann noch ein Widerstand Ri,batt geschaltet werden, um den Innen­widerstand einer Batterie zu simulieren. 

Der Operations­verstärker OPV2 dient als Subtrahier- und Ausgangsverstärker – an seinem Ausgang liegt die Spannungsdifferenz zwischen dem Ausgangssignal des Trebleboosters und der halben Betriebs­spannung an. 

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Headroom und Spannungen

Zu den Spannungen und Aus­steuerungs­grenzen, zunächst die im Arbeitspunkt: Die Spannung am Ausgang von OPV1 ist im Ruhefall null.  An den Ausgängen von OPV3 und von OPV4 liegen – 4,5 V bzw. 4,5 V an.  Die Bezugs­spannung des eigentlichen Trebleboosters, dessen „schwimmende“ Masse, ist die Ausgangs­spannung von OPV3, mithin +4,5 V. 

Nun zu den Ausgangs­spannungshüben: OPV1 muss als Pufferverstärker lediglich die halbe Eingangs­spannung wiedergeben, OPV3 und OPV4 4,5 V bzw. –4,5 V, überlagert mit der halben Eingangs­spannung.  Bei diesen Operations­verstärkern hängt der Ausgangs­spannungshub, den sie abdecken müssen, von der Ausgangs­spannung der Tonabnehmer ab – hier muss, insbesondere bei kräftigen Humbuckern, mit Spannungsspitzen von mehreren Volt gerechnet werden.  Es muss also dafür gesorgt werden, dass die Betriebs­spannung groß genug ist, damit speziell OPV3 und OPV4 nicht in die Begrenzung kommen. 

Bei einer Betriebs­spannung von beispielsweise ± 9 V, die für Bodeneffekte durchaus üblich ist (z. B mit einem 9 V-Block und einer „charge pump“-Schaltung zur Gleich­spannungs­verdopplung oder -invertierung), hätten die Operations­verstärker ausgangsseitig einen Headroom von etwa ± 7 V.  Für OPV3 und OPV4 hieße das, dass das halbe Eingangssignal einen Spitzenwert von 2,5 Volt nicht überschreiten darf, d. h., das Eingangssignal darf einen Spannungsbereich von ± 5 V nicht überschreiten. 

Dass eine Überschreitung dieser Grenze schlimmer ist als ein leichtes und seltenes Klippen bei sehr hohen Spannungsgrenzen, wie es auch in anderen Geräten vorkommt, zeigt der Blick auf den vierten Operations­verstärker OPV2.  Solange die anderen Operations­verstärker sauber und unverzerrt arbeiten, funktioniert auch die Differenz­verstärkung OPV2 unproblematisch.  Er subtrahiert das halbe Eingangssignal vom Ausgangsignal des Trebleboosters, der, durch OPV3 und OPV4 der halben Eingangs­spannung folgend, spannungs­mäßig „durchgeschüttelt“ bzw. „hin- und hergeschleudert“ wird (die Ostfriesen drehen den Tisch). 

Was aber, wenn, im Falle eines Peaks im Gitarrensignal, nicht nur der Treblebooster übersteuert (was ja das wahrscheinlichste Szenario ist), sondern auch einer der beiden Operations­verstärker OPV3 oder OPV4?  Das heißt, eine Spannungsspitze im Eingangssignal führt zum Übersteuern / Clipping des Trebleboosters, aber auch zum „Hängenbleiben“ der beiden Operations­verstärker OPV3 und OPV4.  Dann würde der dem Treblebooster nachfolgende OPV2 vom Ausgangssignal des Trebleboosters eine Spannungsspitze wieder abziehen, um die der gar nicht „bewegt “ worden war, so dass Ausgangssignal von OPV2 eine „Delle nach innen“ bekommt.  Das ist keine Verzerrung, die als besonders wohlklingend bekannt ist

Aus diesem Grund sollte vor dem Eingang der gesamten Schaltung eine Spannungsbegrenzung erfolgen – in der angenommenen Konstellation einer Betriebs­spannung von ±9 V könnten das zwei antiserielle Z-Dioden sein. 

Sind jedoch bis zu OPV2 keine Probleme durch Übersteuerung aufgetreten, ist hier schon das Schlimmste überstanden.  Alle hier noch auftretenden Spannungsspitzen werden durch die Subtrahierschaltung vor den Eingängen von OPV2 heraussubtrahiert. 

Ein weiteres zu bedenkendes Problem ist das Zusammenwirken von eigentlichem Treblebooster und dem normalerweise nachfolgenden Röhrenverstärker.  Da der normale Rangemaster Treblebooster, bedingt durch die negative Betriebs­spannung und den speziellen Arbeitspunkt, den nachfolgenden Verstärkereingang mit positiven Spannungsspitzen von 6–7 V übersteuern kann, kommt es durch die dann dort zwangsläufig fließenden Gitterströme zu Arbeits­punkt­ver­schiebungen durch Umladevorgänge am Aus­gangs­konden­sator des Trebleboosters.  Um das in der Gesamtschaltung nachzubilden, müsste der Kondensator hinter dem Ausgang von OPV2 die Größe des Aus­gangs­konden­sators des Trebleboosters haben.  Weiterhin sollte diesem Kondensator auch ein Widerstand in Größe des Ausgangs­widerstands des Trebleboosters nachgebildet werden, evtl. auch dessen Ausgangs­widerstand (entweder ein Wert unter 10 kΩ oder eine zweite Ebene eines Potis 10 kΩ)

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Vorübergehendes Resümee

Summa summarum, so interessant die Idee auch ist oder scheinen mag, den in Abbildung 2.3 dargestellte Ansatz zuverlässig umzusetzen ist aufwendig und schaltungstechnisch nicht so einfach wie in der Skizze – der Teufel steckt im Detail.  Für einen Bastler gibt es vielleicht die Möglichkeit, die Schaltung soweit zu Ende zu denken, dass sie überhaupt funktioniert, an ein Ausprobieren an guten Gitarren, verschiedenen Röhrenverstärkern und auch verschiedenen Trebleboostern ist aber mangels Masse nicht zu denken. 

Abgesehen davon besteht, wie im Eingang dieses Artikels bereits festgestellt, das Wissen des Autors über Treblebooster zu großen Teilen aus Angelesenem und vom Technischen ins Musiker-technische Übersetztem.  Die Gefahr, hier nicht Ideen zu finden, sondern mit Halbwissen und Jägerlatein (das heilije Germanium) herumzuspielen, macht es notwendig zu versuchen, die Dinge selbst zu untersuchen, zu messen und zu verstehen.  Insbesondere gilt es herauszufinden, worin den das besondere Verhalten von Germanium-Legierungs­transistoren besteht.  Erste Untersuchungen und ihre Ergebnisse finden sich in den Anhängen A, B und C

Eine Vereinfachung der Schaltung wäre indes möglich, wenn man dem (für Techniker schwer verständlichen) Sehnen von Vintage-Verbrauchern nach Vintage-Geräten, betrieben mit Vintage-Batterien, nachgibt.  Der Betrieb des eigentlichen Trebleboosters mit einer eigenen Batterie würde die in Abbildung 2.3 dargestellte Schaltung ein wenig vereinfachen.  Auf die beiden Treiber-OPV OPV3 und OPV4 könnte verzichtet werden.  Abbildung 2.4 zeigt das Prinzip. 

Schaltskizze

Abb. 2.4: Prinzipieller Schaltungsvorschlag für einen „Meta“-Treblebooster für Humbucker mit eigener Batterie – eine Vereinfachung der Schaltungsidee nach Abbildung 2.3 – der eigentliche Treblebooster ist grau hinterlegt. 

Bei dieser Vereinfachung der Schaltung wurde, in Erweiterung der Prinzipschaltung in Abbildung 2.3, der Ausgang des eigentlichen Trebleboosters noch einmal an den Ausgang der Gesamtschaltung gezogen.  Das hat folgenden Hintergrund: Wenn es bei dem originalen Treblebooster durch hohe positive Peaks des Ausgangssignals im Eingang des nachfolgenden Verstärkers zu Gitterströmen kommt, werden der Aus­gangs­konden­sator des Treblebooster und, wenn vorhanden, der Ein­gangs­konden­sator des Verstärkers umgeladen, was zu kurzzeitigen Arbeits­punkt­ver­schiebungen in der Eingangsstufe des Verstärkers führt. 

Um diese Effekte auch in dieser Schaltung zu ermöglichen, wurden dem Ausgangs-OPV ein Potentiometer Rout mit 10 kΩ und ein Koppel­kondensator 10 nF nachgeschaltet.  Rout bildet den Ausgangswiderstand des eigentlichen Trebleboosters nach – er sollte mit dem realen Ausgangsregler bzw. Kollektor­widerstand des Trebleboosters ein Tandem-Potentiometer bilden.  Am Kondensator 10 nV wiederum können die Umladungen stattfinden. 

Durch die Treblebooster-Batterie lässt sich das mögliche Problem des zu geringen Headrooms zumindest von OPV3 und OPV4 lösen – beide sind nicht mehr nötig.  OPV1 wiederum müsste lediglich die halbe (durch die Z-Dioden sehr großzügig begrenzte) Eingangsspannung puffern, während OPV2 dem „normalen“ Aus­gangs­spannungs­hub eines Trebleboosters folgen können muss – interessant sind hier vor allem maximale positive Peaks von etwa 7 V, je nach Arbeitspunkt (Kollektorspannung) des eigentlichen Trebleboosters.

Eine Symmetrierung des Aus­gangs­spannungs­hubs von OPV2 (um dessen symmetrischen Headroom besser auszunutzen) ist nicht unbedingt zu empfehlen.  Sie würde verlangen, dass die Ausgangsspannung von OPV2 (im Unterschied zu OPV1) im Ruhezustand ungleich null ist, d. h. die Widerstände 1 MΩ des Differenz­verstärkers wären von Gleichstrom durchflossen und könnten rauschen. 

Soviel zum (theoretischen) Konzept eines „Ostfriesenboosters“.  Ansonsten geht auch hier (in den folgenden Kapiteln) die Suche nach einer einfacheren Lösung weiter …